3 Theoretisches Modell zur Analyse des Outsourcing der Beschaffung
3.3 Von Produktions- und Transaktionskosten zu Gesamtkosten
In Kapitel 3.1 wurden die Begriffe "Produktionskosten" und "Transaktionskosten" schon definiert.
Während die Produktionskosten die Kosten sind, die den Vertragspartnern für die Erstellung der auszutauschenden Güter oder
Leistungen entstehen, stellen die Transaktionskosten die Kosten dar, die für die Abwicklung und Organisation des Austausches anfallen.
Da die Beschaffung als Transaktion gesehen wird, ergeben sich die Produktionskosten aus der Summe der Kosten für die
Erstellung der Beschaffungsaktivitäten, während die Transaktionskosten aus der Gestaltung und dem Management der
Gesamtheit dieser Aktivitäten entstehen.
Im Fall der unternehmensinternen Beschaffung entsprechen die Produktionskosten den Kosten der reinen Beschaffungsleistung und
die Transaktionskoste den Kosten der Organisation dieser Leistung. Bei der ausgelagerten Beschaffung hingegen stellt der Preis,
den das Unternehmen dem externen Versorgungsdienstleister (hier: Unitec) bezahlt, die Produktionskosten dar. Während die Kosten
des Managements der Vertragsbeziehung mit dem Versorgungsdienstleister den Transaktionskosten entsprechen.
Da die Quantifizierung dieser Kosten jedoch schwierig ist, sollten die in der Transaktionskostentheorie definierten
Transaktionsdimensionen die Kostenermittlung erleichtern.
Folgende Abbildung fasst diese Interpretation zusammen:
Abb. 8: Die Kostenerfassung in der Beschaffung nach der Transaktionskostentheorie
In der Praxis ist es nicht leicht, die Trennung zwischen Produktions- und Transaktionskosten zu berücksichtigen, wie der Beitrag
von Demsetz93 zeigt, der jedoch die Begriffe der Transaktionskostentheorie unterschiedlich verwendet.
Zwar bleibt die Unterscheidung zwischen Produktions- und Transaktionskosten erhalten, aber unter Transaktionskosten versteht er
die Kosten der Organisation des Ressourcenaustausches nur in Bezug auf die Marktsituation.
Die Kosten der Austauschorganisation innerhalb eines Unternehmens werden hingegen als Managementkosten definiert.
Demsetz kritisiert die vergangenen transaktionskostentheoriebezogenen Studien, die die Organisationsformentscheidung auf Basis des
einfachen Vergleiches zwischen Transaktionskosten und Managementkosten untersuchen.
Dass die hierarchische Organisationsform den Markt ersetzen soll, wenn die Transaktionskosten höher als die Managementkosten
sind, sei eine ungenaue Behauptung.
Die Trennung zwischen "Make-or-Buy" sei nicht eindeutig und führe daher zu unerkannten Problemen.94
Die Eigenerstellung eines Produktes erfordert den Kauf von Inputs auf dem Markt, so dass Transaktionskosten auch in der
Make-Entscheidung ihre Rolle spielen.
Genauso tauchen Managementkosten in der Buy-Entscheidung auf, da der bezahlte Produktpreis nicht nur die Produktionskosten
sondern auch die Managementkosten des Herstellers beinhaltet.
Deswegen sind sowohl Transaktionskosten als auch Managementkosten in beiden Organisationsformen zu betrachten und man trifft
die richtige Entscheidung, wenn diejenige Organisationsform gewählt wird, die die niedrigste Summe von Transaktions-,
Management- und Produktionskosten besitzt.
Unternehmen kaufen Produkte, wenn dies kostengünstiger ist, als ihre interne Herstellung.
Dies heisst nicht, dass die Marktlösung kostengünstiger ist, wenn die Transaktionskosten niedriger sind als die Managementkosten.
Das wäre nämlich eine falsche Schlussfolgerung der existierenden Studien, die die wichtige Rolle der Produktionskosten nicht
berücksichtigen.94
Angenommen die Transaktionskosten betragen Null und die Managementkosten sind positiv,
dann kann die Eigenerstellung trotzdem günstiger sein, wenn z.B. die Produktionskosten und damit der Produktpreis des anderen
Herstellers zu hoch sind. Auf der anderen Seite kann der Kauf im Markt auch bei Managementkosten von Null vorteilhafter sein,
wenn z.B. die Produktionskosten des anderen Herstellers niedrig genug sind.
Dass diese Sachverhalte oft unberücksichtigt bleiben, liegt in der impliziten Annahme, dass Information vollkommen
und kostenlos ist. Zwar erkennt die Transaktionskostentheorie die Informationskosten in Bezug auf die Transaktions-
und Managementtätigkeiten, aber nicht in Bezug auf Produktionstätigkeiten.
Also wird angenommen, dass jedes Unternehmen ein Produkt gleich gut und effizient herstellen kann, so dass die
Produktionskostenunterschiede keine Rolle in der Make-or-Buy Entscheidung spielen dürfen. 96
Jedes Unternehmen ist jedoch ein komplexes Bündel von Technologie, Personal und Methoden innerhalb einer
unternehmensspezifischer Informationsschale. Dieses Bündel kann zumeist nicht schnell oder einfach geändert oder imitiert werden.97
Im Endeffekt liegt die Aussagekraft der Transaktionskostentheorie in unserer Fähigkeit, sie operationalisierbar und auf konkrete
Probleme anwendbar zu machen. Dies ist schwierig zu erreichen.
Es ist kompliziert, die Relevanz der Transaktions-, der Management- und der Produktionskosten ohne eine klare
Unterscheidung zwischen ihnen zu diskutieren, da keine klare Unterscheidung gegeben ist. 98
Deshalb wird in dieser Arbeit die unternehmensinterne mit der ausgelagerten Beschaffung anhand der Summe der gesamten Kosten
verglichen. Die Gesamtkosten der Beschaffung enthalten sowohl Produktions- als auch Management- als auch Transaktionskosten
und ergeben sich aus der Summe der Kostenfaktoren Warenpreis, Transportkosten, Prozesskosten und Lagerbestandskosten,
die auch bei Outsourcing zu betrachten sind.
Selbst die Prozesskosten, die mittels ABC ermittelt werden, sind Bestandteil der Gesamtkosten in der ausgelagerten
Beschaffung, da einige Prozessaktivitäten (komplett oder teilweise) intern erhalten bleiben.
Im Fall des Outsourcing muss das Unternehmen zusätzlich einen Preis der Unitec für die Beschaffungsdienstleistung bezahlen.
Dieser Preis beinhaltet wiederum die Produktions-, die Management- und die Transaktionskosten, nun aber diejenigen von Unitec.
Das Modell zum Vergleich der zwei möglichen Organisationsformen, nämlich interner und ausgelagerter Beschaffung, sieht also
folgendermaßen aus:
Abb. 9: Modell zum Kostenvergleich zwischen der unternehmensinternen und der ausgelagerten Beschaffung.
All diese Kostenaspekte sind also für eine Outsourcing-Entscheidung relevant.
"(...) Die meisten Unternehmen beschränken sich jedoch darauf, die Summen von Warenpreis und Transportkosten miteinander zu
vergleichen, um die Vor- und Nachteile des Outsourcing der Beschaffung zu beurteilen.
Die organisatorischen Kostenfaktoren, d.h. Prozesskosten, Lagerbestandskosten und ggf.
Versorgungsdienstleisterpreis, bleiben hingegen in vielen Untersuchungen unberücksichtigt, auch deshalb, weil sie
viel schwieriger und zeitaufwendiger zu ermitteln sind."99
Deswegen konzentriert sich die Arbeit auf die Ermittlung der organisatorischen Kostenfaktoren. Trotzdem werden die Auswirkungen des
Outsourcing auf die anderen Kostenaspekte im Kapitel 4.2.2 erwähnt, um eine möglichst vollkommene
Analyse der Beschaffungskosten zu gewährleisten.
93Vgl. Demsetz (1993).
94Vgl. Demsetz (1993), S. 162.
95Vgl. Demsetz (1993), S. 163.
96Riordan/Williamson (1985) sind damit einverstanden, dass sowohl die Produktions-
als auch die Transaktionskosten für die Organisationsformentscheidung in Frage kommen. Trotzdem zeigen sie, dass die qualitativen Prognosen der Transaktionskostentheorie in fast allen Fällen unverändert bleiben, unabgängig davon, ob die Produktionskosten konstant sind oder Produktionskostenunterschiede eingeführt werden.
97Vgl. Demsetz (1993), S. 163.
98Vgl. Demsetz (1993), S. 163.
99 Marino V.: Interview, S. xxi-xxii.
3.4 Zusammenfassung
Aus den in diesem Kapitel erläuterten Konzepten ergibt sich ein theoretisches Modell, welches die Transaktionen und ihren
Eigenschaften als Ausgangspunkt für eine optimale Organisationsformentscheidung betrachtet.
Die Vorbereitung auf vorgesehene Faktoren und Bedingungen sowie auf unerwartete Sachverhalte ist für den Erfolg aller
Unternehmen entscheidend. Insofern ermöglicht die Transaktionskostentheorie eine qualitative Untersuchung auch
zur Entscheidung der effizientesten Beschaffungsorganisationsform und kann die Existenz und Rolle des Outsourcing
der Beschaffung erklären. Für eine quantitative Analyse ist auch der ABC-Ansatz erforderlich, da er ein geeignetes
Instrument zur Ermittlung der Prozesskosten ist. Somit kann man ein entscheidungsunterstützender Kostenvergleich
durchführen, der für jedes Unternehmen zur Erreichung des Hauptziels Kostenminimierung hilfreich sein kann.