4 Analyse des Outsourcing der Beschaffung
Dieses Kapitel beschäftigt sich mit der Anwendung der im Kapitel 3 vorgestellten Konzepte auf die
Organisationsformentscheidung im Beschaffungsbereich.
Zunächst betrachtet Kapitel 4.1 die Beschaffung und ihre Gestaltungsmöglichkeiten aus transaktionskostentheoretischer
Sicht, wobei die Existenz des Outsourcing und der externen Versorgungsdienstleister erklärt und begründet wird.
In Kapitel 4.2 erfolgt eine vertiefte Untersuchung der Beschaffungskosten anhand des Vergleiches zwischen interner und
ausgelagerter Beschaffung auf Basis des Beispiels Kunde GmbH. Daraus werden schließlich in Kapitel 4.3
Handlungsempfehlungen zur möglichst effizienten Organisation des Beschaffungsprozesses abgeleitet.
4.1 Die Beschaffung aus transaktionskostentheoretischer Sicht
Der Verfasser will die Anwendung der Theorie damit beginnen, indem er erklärt, warum die Beschaffung als Transaktion
gesehen werden kann und welche Folgen eine solche Betrachtung mit sich bringt.
4.1.1 Der Beschaffungsprozess als Transaktion
Die Beschreibung des Beschaffungsprozesses in Kapitel 2.3 deutet darauf hin, dass er im Endeffekt eine Austauschbeziehung
zwischen Unternehmen und Lieferanten ist. Dies entspricht der Definition von Transaktion von Kapitel 3.1,
nämlich dem Austausch eines Gutes oder einer Dienstleistung zwischen Transaktionspartnern.
Aus diesem Grund kann man den Beschaffungsprozess als Transaktion definieren und ihn in Bezug auf die
Transaktionsdimensionen untersuchen:
- Beschaffungsspezifische Investitionen: Damit ist das Ausmaß gemeint, in dem die Vertragspartner zur Organisation und
Abwicklung des Beschaffungsprozesses auf spezialisierte Inputfaktoren zurückgreifen.
"Dies passiert eher auf der Seite der Lieferanten als auf derjenigen der Kunden, da sich im Allgemeinen jedes Unternehmen an
seinem Abnehmermarkt orientiert. (1) Standortspezifische Investitionen, z.B., werden meistens von den Lieferanten getätigt,
die sich nach der Grösse, der Stärke und dem Prestige ihrer Kunden richten. Bei den Kunden sind solche Investitionen in
der Regel gering. (2) Anlagenspezifische Investitionen können beispielsweise bei der Gestaltung des Lagers vorkommen,
wenn z.B. die gelieferten Produkte besondere Bedingungen für die Lagerhaltung erfordern (Kühlschränke, usw.).
Auch die Benutzung einer spezifischen Software kann relativ hohe Investitionen verursachen. (3) Investitionen in
spezifisches Humankapital beziehen sich z.B. auf die Notwendigkeit, im Lager mit besonderen bzw.
gefährlichen Materialien oder im Büro mit unternehmensspezifischen Arbeitsprozeduren umzugehen. Dafür muss man die eigenen
Mitarbeiter schulen oder spezialisierte Mitarbeiter einstellen. Diese Art von spezifischen Investitionen findet man in
der Beschaffung am häufigsten. (4) Abnehmerspezifische Investitionen betreffen per Definition nicht die Kunden, sondern
die Lieferanten. Es kann jedoch den Fall geben, dass der Kunde aufgrund eines grossen Auftrages mit einem seiner Abnehmer
mehr Ware von den Lieferanten benötigt und das Lager erweitern muss. In diesem Fall muss eine relativ hohe Investition
getätigt werden. (5) Investitionen in der Reputation dienen zum erfolgreicheren Verkauf und nicht Einkauf.
Deshalb werden sie in der Beschaffung nur von den Lieferanten getätigt (siehe z.B. ISO-Zertifizierung). (6) Terminspezifische
Investitionen in zeitlich nur begrenzt absetzbaren oder nutzbringenden Gütern und Leistungen werden getätigt, wenn z.B.
die Abnehmer des Beschaffungskunden Saisonwaren oder just-in-time produzieren. Dies kann auch die Beziehung mit den
eigenen Lieferanten beeinflussen, und hohe Investitionen verursachen." 100
"Obwohl spezifische Investitionen im Beschaffungsbereich eher von den Lieferanten als von den Kunden getätigt
werden, sind sie potentiell relativ hoch. Die meisten spezifischen Investitionen werden jedoch für den
strategischen Bedarf und die sogenannten A-Teile getätigt. Für die B- und C-Teile, die keine strategische
Bedeutung aufweisen, sind hingegen die spezifischen Investitionen im Allgemeinen gering." 101
Die Materialwirtschaft klassifiziert die Produkte auf Basis ihres Wertanteils auf das gesamte Einkaufsvolumen
in A-, B- und C-Teile. Die A-Teile sind Güter mit hohem Einkaufswert, ihr Wertanteil beträgt 80% des Einkaufsvolumens.
Die B- und C-Teile besitzen hingegen niedrige Einkaufspreise und haben am gesamten Einkaufsvolumen nur 20% Anteil.102
Das Verhältnis ist jedoch umgekehrt in Bezug auf den Anteil an der gesamten Anzahl der Lieferanten.
Im Vergleich zu den A-Lieferanten, die ungefähr 20% der gesamten Lieferanten darstellen, sind die B- und
C-Lieferanten 80% der Lieferantenanzahl. 103
"Daher binden die B- und C-Produkte trotz niedrigem Stückpreis erhebliche Kapazitäten und dies führt zu einem hohen
Prozess-/Gemeinkostenzuschlag." 104
Darauf wird jedoch in Kapitel 4.2 genauer eingegangen.
- Beschaffungsunsicherheit: "Unsicherheit gehört zum Alltag der Transaktion "Beschaffung", unabhängig davon, ob es sich
um A- oder B- oder C-Teile handelt.
Ein Unternehmen kann z.B. über die Menge der zu bestellenden Produkte unsicher sein, so dass die Vereinbarung
mit den Lieferanten komplizierter wird. Auch in Bezug auf Preise, eventuelle Rabatte, Lieferzeiten und Qualität
der Ware kann es Unsicherheit geben. Somit kann ein Beschaffungsvertrag kostenaufwendig werden, da er nicht alle
Kontingenzen und Eventualitäten berücksichtigen kann." 105
- Beschaffungshäufigkeit: "Der Beschaffungsprozess wiederholt sich in der Regel sehr oft. Dies gilt insbesondere
für die B- und C-Teile, die im Durchschnitt 80% aller Bestellvorgänge ausmachen."106
Zur Veranschaulichung der drei Transaktionsdimensionen in Bezug auf die Beschaffung dient folgende Tabelle.
Tab. 4: Die drei Transaktionsdimensionen in Bezug auf die Beschaffung.
100Marino V.: Interview, S. xviii.
101Marino V.: Interview, S. xix.
102Vgl. Siemens Procurement and Logistics Services (2003), S. 2.
103Vgl. Siemens Procurement and Logistics Services (2003), S. 2.
104Marino V.: Interview, S. xxi.
105Marino V.: Interview, S. xix.
106Marino V.: Interview, S. xix.